Niederländische Architektur: altes Kulturerbe und moderne Meisterwerke
Ein Spaziergang durch die historischen Städte und Dörfer der Niederlande gleicht einer Reise durch die Zeit. Jeder Backstein erzählt eine neue Geschichte: von den prächtigen Grachtenhäusern des 17. Jahrhunderts, die in der Dutch Era für wohlhabende Kaufleute errichtet wurden, bis hin zu den funktionalen Bauwerken des Modernismus. Die vielfältige Architektur offenbart die reiche Vergangenheit der Niederlande. Auch heute setzen niederländische Architekt*innen immer wieder neue Maßstäbe und beeindrucken weltweit mit nachhaltigen Innovationen. Tauche ein in die Geschichte der niederländischen Architektur und entdecke die faszinierendsten Gebäude, die unser Land zu bieten hat!
- Folge den Spuren berühmter Architekten wie Rem Koolhaas und Pierre Cuypers.
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Von der Pracht des 17. Jahrhunderts zu den Idealen der Moderne
Woran denkst du zuerst, wenn du die Architektur der Niederlande vor Augen hast? An die stattlichen Grachtenhäuser Amsterdams aus dem 17. Jahrhundert? Oder an die geradlinigen Bauwerke, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind? Denkst du vielleicht an den globalen Einfluss von Rem Koolhaas? Oder an schwimmende Stadtteile und 3D-gedruckte Brücken? All diese verschiedenen Elemente innerhalb der niederländischen Architektur sind Ausdruck einer reichen Geschichte mit wechselnden Lebensumständen und Idealen.
Wusstest du, dass?
Die Kubushäuser in Rotterdam auf nur einem Pfeiler stehen und die Würfel um ca. 45 Grad gekippt sind?
Die Architektur der Dutch Era
Der wirtschaftliche Erfolg der niederländischen Republik im 17. Jahrhundert brachte nicht nur steigenden Wohlstand, sondern auch eine kulturelle Blütezeit und ein rasantes Städtewachstum mit sich. Nicht umsonst spricht man heute von der Dutch Era. In dieser Zeit wurden öffentliche Gebäude wie Rathäuser aufwendig renoviert oder neu erbaut. Wohlhabende Kaufleute nutzten ihren Reichtum, um prachtvolle Herrenhäuser zu errichten. Besonders die imposanten Residenzen entlang der neu angelegten Amsterdamer Grachten erlangten weltweite Berühmtheit.
In den frühen Jahren der Dutch Era ist der Architekturstil geprägt von gotischen Traditionen und der aufkommenden italienischen Renaissance. Gebäude wurden mit Säulen und Giebeln aus hellem Naturstein sowie rotem Backstein verziert. Einer der bedeutendsten Architekten dieser Epoche ist Hendrick de Keyser. Zu seinen Meisterwerken zählen das Oost-Indisch Huis, die Westerkerk und Zuiderkerk in Amsterdam sowie das Rathaus in Delft.
Klassizismus: schlicht und einfach
Um 1630 setzte sich der Klassizismus als dominierende Strömung in der niederländischen Architektur durch. Charakteristisch für diesen Stil sind symmetrische Proportionen, die an die klassische Antike erinnern, markante Fassadenvorsprünge und Details wie dreieckige Giebel. Einer der bedeutendsten Pioniere des niederländischen Klassizismus war Jacob van Campen, der den Königlichen Palast in Amsterdam (das damalige Rathaus) entwarf. Gemeinsam mit seinem Zeitgenossen Pieter Post schuf van Campen auch das Mauritshuis in Den Haag, das heute als Museum zahlreiche Gemälde der niederländischen Meister beherbergt.
Post entwarf noch weitere Bauwerke dieser Epoche, darunter das Rathaus in Maastricht, die Goudse Waag in Gouda und das heutige Zuhause der niederländischen Königsfamilie, Huis ten Bosch. Weitere herausragende Beispiele des Klassizismus sind das Schifffahrtsmuseum in Amsterdam sowie das Schloss Amerongen bei Utrecht. Mit dem Ende der Dutch Era verlor auch der Klassizismus an Einfluss, während im 18. Jahrhundert neue Stilrichtungen wie Barock und Rokoko in den Vordergrund traten.
Neogotik: Cuypers und das Rijksmuseum
Im 19. Jahrhundert bedienten sich die Architekten an Elementen aus vergangenen Epochen. Neoklassizismus, Neorenaissance und Neogotik halten Einzug in die niederländische Architektur. Diese Entwicklung führte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum Eklektizismus. Zu den herausragenden Architekten dieser Zeit zählt Pierre Cuypers, auch bekannt als P.J.H. Cuypers. Er entwarf den Amsterdamer Hauptbahnhof, die St. Bavokerk in Haarlem und nicht zuletzt das Rijksmuseum. Das 1885 fertiggestellte Museum gilt als eines der bedeutendsten Beispiele neugotischer Architektur.
Nach dem Historismus des 19. Jahrhunderts trat der Jugendstil, auch bekannt als Art nouveau, in den Vordergrund. Dieser Stil zeichnete sich durch seine dekorativen Elemente aus, die noch heute in vielen niederländischen Städten zu finden sind. Man denke an Glasmalerei, florale Motive, schmiedeeiserne Verzierungen, Erker und Loggien sowie asymmetrische Schriftzüge. Eindrucksvolle Beispiele für den Jugendstil sind das Huis van Lorrie in Den Haag und das Hotel New York in Rotterdam.
Rationalismus und die aufkommende Moderne
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts geht der Jugendstil in den Modernismus über, wobei Logik, Funktionalität und Uniformität in den Vordergrund rücken. Ein Architekt, der wie kein anderer mit dieser Bewegung in Verbindung steht, ist H.P. Berlage. Seine berühmte Beurs van Berlage in Amsterdam vereint Jugendstilelemente mit Funktionalität, Nüchternheit und Innovation. Auch Karel de Bazel ist ein bekannter Vertreter des niederländischen Rationalismus. Eines seiner Werke, das Gebäude De Bazel, dient heute als Amsterdamer Stadtarchiv.
Vom Rationalismus zum Expressionismus: Die Amsterdamer Schule
In den 1910er Jahren entstanden mehrere neue Baustile. Der Expressionismus, zunächst vor allem in Amsterdam präsent, breitete sich bald im ganzen Land aus. Charakteristisch für die „Amsterdamer Schule“, wie der Baustil auch genannt wird, ist die dynamische Außengestaltung mit wellenförmigen Fassaden und runden Formen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Amsterdamer Museum Het Schip, das von Michel de Klerk entworfen wurde. Eine weniger verspielte Variante des Expressionismus wurde von Willem Dudok geprägt, dem Stadtarchitekten von Hilversum. Er hat das Stadtbild nachhaltig beeinflusst, wobei das Rathaus (siehe Expertentipps) als besonders eindrucksvoll gilt.
Von De Stijl zum Neuen Bauen
Gerade Linien und Primärfarben: De Stijl war eine farbenfrohe, optimistische, funktionale und vor allem moderne Kunst- und Architekturbewegung, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ganz Europa ausgebreitet hat. Piet Mondrian und Gerrit Rietveld gehören zu den Hauptakteuren dieser Bewegung. Wenn du in Utrecht bist, dann darf ein Besuch im Rietveld-Schröder-Haus nicht fehlen. Das UNESCO-Weltkulturerbe wird als „Ikone der modernen Architekturbewegung“ gefeiert. Alternativ lohnt sich auch ein Abstecher nach Drachten. Das friesische Dorf hat eine enge Verbindung zu Theo van Doesburg, einem Mitbegründer der Kunstbewegung De Stijl. Drachten ist ein attraktives Ziel für Fans der Kunstbewegung. Besucher*innen können das „Papageien-Viertel“ erkunden und die beeindruckende Sammlung avantgardistischer Kunst im Museum Dr8888 bewundern.
Form follows function: Leichtigkeit, Funktionalität und der Einsatz moderner Materialien wie Beton, Stahl und Glas prägten die niederländische Architektur Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Dieser Stil, bekannt als Funktionalismus oder Neues Bauen, zeichnete sich durch klare Linien und transparente Glasfassaden aus. Übermäßige Handwerkskunst und dekorative Elemente wurden bewusst vermieden. Hervorragende Beispiele für diesen Stil sind die Van-Nelle-Fabrik, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, sowie das Huis Sonneveld in Rotterdam.
Postmoderne und die Innovationen von heute
Im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts haben niederländische Architekt*innen auf der ganzen Welt neue Maßstäbe gesetzt. Rem Koolhaas zählt zu den bedeutendsten Namen. Von ihm stammen beeindruckende Gebäude wie die Seattle Central Library und der CCTV Tower in Peking. Auch die Kunsthal in Rotterdam ist nach seinem Entwurf entstanden. Ebenso einflussreich ist das Architekturbüro MVRDV, dem wir beeindruckende Werke wie die Markthalle und das Depot Boijmans Van Beuningen in Rotterdam zu verdanken haben. Ein Besuch dieser architektonischen Meisterwerke ist definitiv lohnenswert!
Heutzutage wird Architektur zunehmend mit Nachhaltigkeit verknüpft. Die Reduzierung von Bauabfällen und die Förderung der Kreislaufwirtschaft stehen dabei im Mittelpunkt. Beispiele für diese umweltfreundliche Bauweise sind das Nederlands Instituut voor Ecologie (Niederländischen Instituts für Ökologie) in Wageningen und das Viertel Little C in Rotterdam. Architekt*innen sehen sich gezwungen, auf Herausforderungen wie den steigenden Meeresspiegel zu reagieren. Innovative Konzepte wie das schwimmende Viertel Schoonschip und neue Bautechniken mit Holz sollen dazu beitragen, künftige Klimaprobleme zu bewältigen. Wir können also davon ausgehen, dass niederländische Architekt*innen auch in Zukunft einen großen Einfluss auf die Architektur und die Baupraxis weltweit haben werden.
Tipps von Indira van ’t Klooster
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SCHUNCK Museum, Heerlen
Architekturzentren kannst du im ganzen Land finden. Sie organisieren Führungen, Ausstellungen und Vorträge über Stadtplanung und sind außerdem ein hervorragender Treffpunkt für Gleichgesinnte. Dieses Museum befindet sich im Glaspaleis von Frits Peutz.
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Dudok-Architekturzentrum, Het Raadhuis, Hilversum
Dudok war fast 50 Jahre lang als Architekt in Hilversum tätig und hat in dieser Zeit zahlreiche Stadtviertel, Parks und öffentliche Gebäude gebaut. Das Raadhuis ist besonders eindrucksvoll. Es beherbergt das Dudok-Architekturzentrum, wo wöchentlich Führungen stattfinden.
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Arcam, Amsterdam
Architekturzentren sind eine ideale Anlaufstelle, wenn du mehr über die Vergangenheit und Zukunft einer Stadt erfahren möchtest. Arcam befindet sich in einem ganz besonderen Gebäude von René van Zuuk. Allein schon der Blick auf den Oosterdok ist fantastisch.