Fischmigrationsfluss am Abschlussdeich - 19. Nov. 2024
Der Fischmigrationsfluss am Abschlussdeich ist weltweit einzigartig. In einer spiralförmigen Struktur gibt er wandernden Fischen Zugang zwischen Nordsee und IJsselmeer und schafft neue Lebensräume. Entstanden als Reaktion auf die ökologischen Herausforderungen des Damms, ermöglicht dieses Projekt eine Rückkehr zu natürlichen Wanderungen für Aale und Stinte und fördert die Artenvielfalt. Der Fischmigrationsfluss zeigt, wie die Niederlande innovative Lösungen finden, um Mensch und Natur in Einklang zu bringen.
Fischmigration durch den Abschlussdeich
Vor den stählernen Toren des Abschlussdeiches tummeln sich Millionen von Fischen im IJsselmeer. Sie alle suchen nach einer Möglichkeit, in die Nordsee zu gelangen, doch der riesige Damm zwischen Süß- und Salzwasser hält sie gefangen. Während sie verzweifelt nach einem Ausweg suchen, fallen Hunderte von kreischenden Möwen über sie her und fischen sie heraus. Inmitten dieser scheinbar ausweglosen Situation entsteht ein außergewöhnliches Projekt, das den Fischen den Weg in ihre natürlichen Lebensräume zurückgeben soll: der „Fischmigrationsfluss“, eine weltweit einzigartige Lösung, die Natur und Ingenieurskunst auf beeindruckende Weise vereint.
Ein Fluss durch den Deich: Warum er gebaut wird
Der Abschlussdeich, der seit 1932 die Niederlande vor den Fluten der Nordsee schützt, trennt die einstige Zuiderzee - heute das Ijsselmeer- von der Nordsee. Diese Trennung war notwendig, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten und wertvolles Land zu gewinnen. „Doch sie war gleichzeitig auch ein ökologisches Desaster“, sagt der Ökologe Chris Bakker von der Naturschutzvereinigung It Fryske Gea im niederländischen Friesland, deren Mission die Erhaltung und die Entwicklung der natürlichen Landschaften der Region sind.
Die Leidtragenden des Baus des Abschlussdeiches waren die Fischpopulationen: „Viele Wanderfischarten, die zwischen Süß- und Salzwasser migrieren, verloren ihre natürlichen Wanderwege und damit ihre Lebensgrundlage“, sagt Bakker. Der Fischmigrationsfluss, auf Niederländisch „vismigratierivier“, wurde als Antwort auf diese Herausforderung konzipiert. Sein Ziel ist es, die natürliche Wanderung der Fische zwischen dem Ijsselmeer und der Nordsee wiederherzustellen, ohne die Schutzfunktion des Abschlussdeichs zu beeinträchtigen.
Einzigartig in der Welt
Der Fischmigrationsfluss ist das erste Projekt seiner Art weltweit. Mit einer Länge von vier Kilometern und einer spiralförmigen Struktur, die sanft abfallende Wasserströme simuliert, ermöglicht er kleineren Fischen, den Höhenunterschied zwischen Nordsee und IJsselmeer zu überwinden. „Große Fische wie etwa Lachse und erwachsene Aale schaffen es, durch das geöffnete Tor gegen die starke Strömung anzuschwimmen. Kleine Fische haben dagegen keine Chance.“ Hierzu gehören etwa Stinte, Stichlinge sowie junge Aale und junge Meerforellen, die bekannt sind für ihre Wanderungen zwischen Süß- und Salzwasser. Sie alle können fortan den Fischmigrationsfluss nutzen.
Dies könnte zu einer signifikanten Erholung der Fischbestände führen und die Artenvielfalt im Ijsselmeer und in der Nordsee fördern. Zudem schafft der Fischmigrationsfluss neue Lebensräume für andere Wasserlebewesen und Pflanzenarten, die sich in den unterschiedlichen Strömungsverhältnissen ansiedeln können. Diese Bereicherung des ökologischen Spektrums trägt zur Stabilisierung der gesamten Küsten- und Binnengewässerökosysteme bei. Dieses einzigartige Projekt wird daher von WissenschaftlerInnen weltweit mit großem Interesse verfolgt.
Kosten und Finanzierung
Die Kosten für den Bau des Fischmigrationsflusses belaufen sich auf etwa 55 Millionen Euro. Diese gewaltige Summe wird von einer Kombination aus öffentlichen Mitteln, europäischen Fördergeldern und Beiträgen privater Organisationen finanziert. Die Niederlande, bekannt für ihre Expertise im Wassermanagement, haben sich verpflichtet, diesen innovativen Schritt zu gehen, um die Balance zwischen Sicherheit und Ökologie zu gewährleisten. Der Bau des Fischmigrationsflusses begann im Jahr 2018 und soll bis 2026 abgeschlossen sein.
Funktion im Wassermanagement
Im Wassermanagement der Niederlande spielt der Fischmigrationsfluss eine entscheidende Rolle. Zum einen ermöglicht er die Wiederherstellung der natürlichen Fischwanderungen, die für das ökologische Gleichgewicht in den betroffenen Gebieten von entscheidender Bedeutung sind. Und zum anderen trägt er dazu bei, die Wasserqualität im Ijsselmeer zu verbessern, da der Austausch zwischen Süß- und Salzwasser wichtige Nährstoffe und Sauerstoff in das System bringt.
„Darüber hinaus ist der Fluss so konzipiert, dass er flexibel auf den Wasserstand in beiden Gewässern reagieren kann. Bei hohen Wasserständen in der Nordsee kann der Durchfluss reguliert oder gestoppt werden, um den Deichschutz nicht zu gefährden“, sagt Chris Bakker. Diese Flexibilität ist ein integraler Bestandteil des niederländischen Wassermanagements, das darauf abzielt, Sicherheit und Umweltinteressen in Einklang zu bringen.
Ein Blick in die Zukunft
Der Fischmigrationsfluss auf dem Abschlussdeich ist mehr als nur ein technisches Bauwerk – er ist ein Symbol für den Wandel im Umgang mit der Natur. In einer Zeit, in der der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt immer drängendere Themen werden, zeigt dieses Projekt, wie technische Innovation und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen können.